
22. Philosophicum Lech
Die Hölle.
Kulturen des Unerträglichen
Freitag, 21. September 2018 um 17.00 Uhr
Register des Unerträglichen
Statement zum Vortrag
Das Unerträgliche ist nicht objektiv bestimmbar. Unerträgliches gibt es nur für leibliche Wesen, die ihre Sinnlichkeit und ihre eigene Sensibilität mitbringen. Sicherlich gibt es eine Grenze, jenseits derer jede Widerstandsfähigkeit zunichte wird. Aber wann geht das, was uns begegnet, ins Übermaß über, wann ist etwas zu laut, zu grell, zu heiß, zu kalt, zu anstrengend, und wann können wir es nicht mehr aushalten? Nicht nur kann niemand diese Frage für einen anderen beantworten, wir können es nicht einmal über uns selbst sagen – vielleicht erst dann, wenn es zu spät ist. Das gilt auch für das, was wir anderen zumuten.
Bei all dem denken wir in der Regel zuerst an den übergroßen Schmerz, aber es ist nicht nur das extrem Schmerzhafte, das unerträglich sein kann, sondern auch vieles andere – der Verlust, der Entzug, das Immergleiche etc. Und niemals wird man all dies von seinem Kontext trennen können und von seiner Bedeutung. Das Unerträglichste, wenn dieser Superlativ erlaubt ist, ist das Sinnlose und das, was andere uns zufügen.
Der Vortrag wird versuchen, diese verschiedenen Register des Unerträglichen auszuloten. Dabei ist wird klar werden, dass sich anthropologische, kulturelle und individuelle Bestimmungen und Grenzen weder klar ziehen noch sauber voneinander trennen lassen.
PD Dr. Christian Grüny
Referent
Zur Person
Christian Grüny lehrt an der Universität Witten/Herdecke. Er hat Philosophie und Linguistik an der Ruhr-Universität Bochum, der Karlsuniversität Prag und der Freien Universität Berlin studiert und 2003 in Bochum mit einer Arbeit zur Phänomenologie des Schmerzes promoviert. 2003-2008 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Kulturreflexion der Universität Witten/Herdecke, 2008-2014 Juniorprofessor für Philosophie ebenda, wo er sich 2011 mit einer musikphilosophischen Arbeit habilitierte. 2011 war er Gastprofessor an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2013 übernahm er die Vertretung des Lehrstuhls für Philosophie an der Kunstakademie Düsseldorf, 2014/15 verbrachte er als Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt, 2016 vertrat er den Lehrstuhl für theoretische Philosophie an der TU Darmstadt. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Ästhetik, Musikphilosophie, Phänomenologie, Philosophie der Leiblichkeit, Zeichentheorie und Kulturphilosophie.
Publikationen (Auswahl)
Monographien
• Kunst des Übergangs. Philosophische Konstellationen zur Musik, Weilerswist 2014
• Zerstörte Erfahrung. Eine Phänomenologie des Schmerzes, Würzburg 2004
Herausgaben
• mit Katrin Eggers (Hg.), Musik und Geste. Theorie, Ansätze, Perspektiven, München 2018
• Journal Phänomenologie 45 (2016): Susanne K. Langer – Fühlen und Form
• Ränder der Darstellung. Leiblichkeit in den Künsten, Weilerswist 2015
• (mit Matteo Nanni) Rhythmus – Balance – Metrum. Formen raumzeitlicher Organisation in den Künsten, Bielefeld 2014
• mit Emmanuel Alloa, Thomas Bedorf u. Tobias Klass) Leiblichkeit. Geschichte und Aktualität eines Konzepts, Tübingen 2012
• Musik und Sprache. Dimensionen eines schwierigen Verhältnisses, Weilerswist 2012
• Journal Phänomenologie 33 (2010): Musik und Phänomenologie
Editionen
• Susanne K. Langer, Fühlen und Form, Hamburg 2018
Aufsätze (Auszug)
• Mimesis auf Distanz. Musik als Resonanz und Vollzug, in: Klaus Aringer, Franz Karl Praßl, Peter Revers und Christian Utz (Hg.), Geschichte und Gegenwart des musikalischen Hörens. Diskurse – Geschichte(n) – Poetiken, Freiburg 2017, S. 59-75
• Susanne K. Langer: Denken in neuer Tonart, in: Journal Phänomenologie 45 (2016): Susanne K. Langer – Fühlen und Form, S. 4-19
• Kampfzone Wirklichkeit. Realismus in Philosophie, Kunst und Musik, in: positionen 108 (2016), S. 5-9
• Hermeneutik in Bewegung. Meg Stuarts Tanzstück Built to last und das Verstehen der Musik, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 60, 2 (2015), S. 207-223
• System und Tonart. Zur Rolle der Kunst bei Ernst Cassirer und Susanne K. Langer, in: Journal Phänomenologie 42 (2015), S. 65-77