
24. Philosophicum Lech
Als ob!
Die Kraft der Fiktion
Sonntag, 26. September 2021 um 11.30 Uhr
Todesalgorithmus. Die Fiktionen der künstlichen Intelligenz
Statement zum Vortrag
Algorithmen beherrschen die Welt, so hört man, heute schon und morgen noch viel mehr. Sie sitzen am Steuer selbstfahrender Autos und lenken mehr und mehr auch gesellschaftliche Prozesse. Wie programmieren wir sie, und was passiert, wenn sie sich schließlich selbst programmieren? Die Angst ist so groß wie die Hoffnung und das moralische Dilemma. Darf der Algorithmus im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden? Darf man ihm einprogrammieren, wen er verschonen soll: das Kind oder die beiden Rentner? Aber der Todesalgorithmus am Lenkrad ist nur die Testfahrt für eine Gesellschaft, in der die künstliche Intelligenz das Steuer übernimmt. Nicht um den Menschen zu unterdrücken oder zu vernichten, sondern um ihm zu zeigen, wie er überleben kann. So wie sie ihm schon heute zeigt, wie er von A nach B kommt und welcher Partner am besten zu ihm passt. Es wird das Ende des freien Willens sein. Aber auch die Rückkehr ins Paradies der Entscheidungslosigkeit nach einer langen Reise im immer besseren Gebrauch der Erkenntnisfähigkeit. Kann uns, dass wir die nun weitergeben, retten?
Prof. Dr. Roberto Simanowski
Referent
Zur Person
Roberto Simanowski studierte Literatur- und Geschichtswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, promovierte zur Massenkultur um 1800 und habilitierte sich zur Ästhetik digitaler Medien. Seine Forschungsgebiete sind Postmodernismus, Multikulturalismus, Ästhetik und Kultur digitaler Medien. Nach Forschungsaufenthalten an der Harvard University und University of Washington hatte Simanowski seit 2003 Professuren für Kultur- und Medienwissenschaften an der Brown University in Providence, USA, der Universität Basel und der City University of Hong Kong inne. Seit 2018 lebt er als freier Autor und Publizist in Berlin und Rio de Janeiro und schreibt unter anderem für die ZEIT, die Neue Zürcher Zeitung und den Deutschlandfunk. Roberto Simanowski ist Gründer und Herausgeber des Journals für Kunst und Kultur digitaler Medien dichtung-digital (1999-2014). Er ist Autor von über 60 Aufsätzen in Fachzeitschriften und Sammelbänden und Herausgeber von sechs Sammelbänden.
Monografien
Zu seinen Monografien gehören: Interfictions. Vom Schreiben im Netz (Edition Suhrkamp 2002); Digitale Medien in der Erlebnisgesellschaft. Kultur – Kunst – Utopie (Rowohlts Enzyklopädie 2008); Digital Art and Meaning. Reading Kinetic Poetry, Text Machines, Mapping Art, and Interactive Installations (University of Minnesota Press 2011), Digital Humanities and Digital Media. Conversations on Politics, Culture, Aesthetics, and Literacy (Open Humanities Press 2016) sowie die bei Matthes & Seitz erschienenen Studien zur Kultur digitaler Medien: Data Love (2014; Columbia University Press 2016), Facebook-Gesellschaft (2016; Columbia University Press 2018), Abfall. Das alternative ABC der neuen Medien (2017, MIT Press 2018), Stumme Medien. Vom Verschwinden der Computer in Bildung und Gesellschaft (2018) und Sozialmaschine Facebook. Dialog über das politisch Unverbindliche (2019, zusammen mit Ramón Reichert). Sein Buch The Death Algorithm and Other Digital Dilemmas (MIT Press 2018) erhielt den CHOICE Award for Outstanding Academic Titles for 2019. Sein Buch Todesalgorithmus. Das Dilemma der künstlichen Intelligenz (Passagen Verlag 2020) wurde mit dem Tractatus-Preis 2020 ausgezeichnet. Sein jüngstes Buch, Das Virus und das Digitale, erschien 2021 ebenfalls im Passagen Verlag.