Tractatus-Preisträger 2010
Kurt Flasch
Kurt Flasch, profilierter Kulturwissenschaftler und grandioser Mediävist, erhielt den Tractatus – richtungsweisender Essay-Preis des Philosophicum Lech.
Im Rahmen des renommierten Philosophicum Lech wurde heuer zum zweiten Mal der hoch dotierte Tractatus als Preis für philosophische Essayistik vergeben. Prämiert wurde der deutsche Grandseigneur der Philosophiegeschichte des Mittelalters Kurt Flasch exemplarisch für sein Werk „Kampfplätze der Philosophie“.
„Philosophie als Polemik – das klingt garstig, kommt aber der geschichtlichen Wirklichkeit näher als die Erwartung harmonisierenden Tiefsinns“, betont Kurt Flasch im Vorwort seiner „Kampfplätze der Philosophie“. Das mehr als 1000 Jahre überspannende, die großen philosophischen Konflikte von Augustinus bis Voltaire analysierende Werk sorgte nicht nur unter Fachleuten für Furore. Die denkerische und sprachliche Originalität war nur eines der Argumente der hochkarätig besetzten Jury, die Kurt Flasch exemplarisch für das brillante Buch den Tractatus zudachte. Als richtungsweisender Preis für Wissenschaftsprosa und philosophische Essayistik des Philosophicum Lech gehört der Tractatus dank eines anonym bleibenden Sponsors mit 25.000 Euro zu den höchstdotierten Buchpreisen im deutschsprachigen Raum. „Prämiert werden herausragende kulturwissenschaftliche Publikationen, die philosophische Fragen in erweitertem Sinne unter Entwurf neuer Perspektiven ambitioniert und einer breiten Öffentlichkeit verständlich diskutieren“, wie der wissenschaftliche Leiter des Philosophicum Lech Konrad Paul Liessmann unterstreicht.
Die feierliche Preisverleihung erfolgte am 25. September im Rahmen des Philosophicum Lech, das unter dem Titel „Der Staat. Wie viel Herrschaft braucht der Mensch?“ wieder einen illustren Kreis an Referenten und eine große Zuhörerschaft an den Arlberg brachte. In ihrer Laudatio zum Tractatus zitierte die Schweizer Philosophin Ursula Pia Jauch das Urteil der Jury: „Unsere Wahl fiel auf Kurt Flasch, weil er die vermeintlich verstaubte Philosophiegeschichte aus toten Archiven sowie abstrakten Systemen befreit und dabei durch seine profunden Kenntnisse und mit seiner anschaulichen Sprache unerschrocken gezeigt hat, dass das Denken immer aus lebendigen Kontroversen besteht und keine Angelegenheit einer einmal festgezurrten ?Wahrheit‘ ist. Nicht zuletzt hat uns Kurt Flasch gelehrt, dass das Mittelalter nicht ?dunkel‘ war und die Geschichte der Philosophie eine äußerst lebendige Affäre ist, die ganz direkt in die gegenwärtige Welt hineinreicht.“
Bei der anschließenden Dankesrede stellte der 80-jährige Kurt Flasch seinen intellektuellen Charme unter Beweis und gab unter anderem Anekdoten über das menschliche Maß der Philosophie zum Besten, hat er doch Max Horkheimer, Theodor Adorno oder auch Hans Blumenberg noch aus nächster Nähe gekannt. Als etwa der große Adorno in einer Vorlesung seine vorurteilbefrachtete Tante zur Repräsentantin von Kants Kategorienlehre machte, quittierte dies der damalige Student Flasch mit einem Pfiff. „Von heiterer Unerschrockenheit und als einen der urbansten, humansten und brillantesten deutschen Gelehrten“, so skizzierte Jauch denn auch den Preisträger, der als genauso streitbar wie integer gilt. Und nachdem Kurt Flasch in seiner biographischen Rückschau den mit ihm bekannten Neukantianer Wolfgang Cramer als jemanden würdigte, der argumentativ fundiert „frisch und frech polemisieren“ konnte, darf dies durchaus auch dem nunmehrigen Tractatus-Preisträger nachgesagt werden.
So erlebte die gespannte Philosophengemeinde zu Lech eine würdige Prämierung des deutschen Grandseigneur des Mittelalters als unvergesslichen Tractatus-Abend, der wie das gesamte Philosophicum auch nächstes Jahr wieder für Philosophie auf der Höhe der Zeit garantieren wird.
Kurt Flasch. Kampfplätze der Philosophie.
Vittorio Klostermann Verlag
Frankfurt am Main, 2009
€ 34,00